Vinzenzstatue im Mutterhaus

Vinzenz von Paul StatueVor dem Refektorium im Erdgeschoss des Mutterhauses schaut diese Statue des heiligen Vinzenz von Paul dem Gast entgegen. Dem Bildhauer Ludwig Nolde ist es gelungen, in wenigen Akzenten Wesentliches bei Vinzenz zum Ausdruck zu bringen. In der äußeren Gestalt wird zunächst unverkennbar die bäuerliche Herkunft deutlich. Vinzenz ist 1581 in einem kleinen Dorf Südfrankreichs geboren worden. Drei Merkmale fallen bei dieser Statue besonders auf: Der Blick, die Hände und das große Kreuz in den Händen von Vinzenz.

 

Vinzenz von Paul StatueMit weitgeöffneten Augen schaut Vinzenz dem Eintretenden entgegen. Hier ist etwas eingefangen, was Vinzenz zu seinen Lebzeiten besonders auszeichnete:
Er sah Dinge und Menschen mit den Augen Gottes, mit den Augen der Liebe und Ehrfurcht, er sah durch die äußere Hülle hindurch aus das Wesentliche:
"O Gott, die Armen sind schön anzuschauen, wenn wir sie in Dir und mit der Achtung sehen, die Jesus Christus für sie hatte."

 

Vinzenz von Paul StatueAus den Worten erahnen wir den Beweg-
grund für seine große Hochachtung vor der Würde gerade der Menschen, die in den Augen der Welt zu den Geringen zählen:
Die Obdachlosen, die Kranken und Alten, die ausgesetzten Kinder und die Gefangenen. Vinzenz sieht aber auch hinter der Fassade des Reichtums die seelische Not und Armut derer, die zu den ersten des Landes gehören. Mit einem Blick der Güte und des Verstehens erreicht er jeden Menschen, berührt er dessen Herz, denn: 
"Man sieht nur mit dem Herzen gut", wie Exupery sagt.

 

Vinzenz von Paul StatueAus sich selbst macht Vinzenz nichts. Zwar hatte er sich in jungen Jahren seiner einfachen Herkunft geschämt und war bemüht, zu Ansehen und auch zu Geld zu kommen, doch nun ist es ihm sogar unangenehm, wenn man von ihm spricht.
Was hat ihn umgewandelt?
Vinzenz hat die Erfahrung vom unaufdringlichen, unscheinbaren Wirken Gottes demütig gemacht: 
„Wie der Erlöser sein Erlösungswerk im Kreuz verbirgt, so hat auch der Mitarbeiter Gottes hinter seinem Werk zurückzutreten.“

 

Jesu Christi StatueDer Künstler mag den Beweggrund für den Gesinnungswandel bei Vinzenz erspürt haben, als er ihm das Kreuz in die Hand gab.

„Wir werden immer mehr geneigt sein, für unseren Nächsten nutzbringend zu arbeiten, je mehr wir aus eigener Erfahrung wissen, was leiden heißt.“
„Der fundamentale Akt der Erlösung ist das Leiden Jesu Christi."

 

 

Vinzenz von Paul StatueBei näherem Hinschauen erkennen wir, dass die Nägel sogar durch den Daumen der linken Hand bei Vinzenz gehen.
Mit Jesus angenagelt an Sein Kreuz! - Hineingenommen in seine Selbstentäußerung.
Vinzenz hat diese Selbstentäußerung durchlebt in der Nacht und Dunkelheit seiner Glaubensnöte und Zweifel, in der er aufs Schmerzlichste die Abwesenheit Gottes erfährt, der sich ihm scheinbar entzogen hat.
Für Vinzenz ist dies die Stunde der Läuterung von aller Selbstsucht, aller Eigenliebe. Gott macht ihn so fähig zu wahrhaft selbstloser Liebe.

 

Vinzenz von Paul StatueDer Herr gibt jedem, den er in seine Nachfolge ruft, diese Chance der Läuterung. Ja, er sagt sogar, dass die unumgänglich zum Leben in seiner Nachfolge gehört:
"Wer mein Jünger sein will, verleugne sich selbst, ..."
So verstehen wir auch das Wort von Vinzenz:
"Die Gleichförmigkeit mit dem leidenden Christus ist das Kennzeichen unserer Erwählung."
Die eigene Erfahrung des Leidens wird für Vinzenz nun auch zum Motor, tatkräftig Not und Armut in seiner Umgebung zu beheben.

 

Vinzenz von Paul StatueWunderbar ist dies dargestellt:
Während die linke Hand angenagelt, hineingenommen in die Erlösungstat Christi ist, lässt die wuchtige rechte ahnen, dass sie fähig ist, für Gott zu arbeiten.
"Lieben wir Gott, aber auf Kosten unserer Arme und im Schweiße unseres Angesichtes."

Diese Hand macht aber noch etwas deutlich: Hier bedeckt sie die Wundmale des Gekreuzigten. So mag es Vinzenz oft gegangen sein. Wo er nicht helfen, nicht heilen konnte, dort konnte er trösten, behutsam Wunden bedecken, brennende Schmerzen lindern und erträglicher machen.

Er drückt dies mit den Worten aus:

"Christ sein
und seinen Bruder leiden sehen,
ohne mit ihm zu weinen,
ohne mit ihm krank zu sein
das heißt
ohne Liebe sein, ein bloß gemalter Christ.
Die Liebe öffnet das Herz des anderen,
dass wir mit ihm fühlen können!"

 

Text und Fotos: Sr. M. Hildegard Theinert